Product Sense: Das Geheimnis erfolgreicher Produktmenschen
Über den sechsten Sinn für Entscheidungen oder wie Demut, Neugier, Agency und Empathie dir helfen, als Produktmensch erfolgreich zu sein.
Hast du dich jemals gefragt, warum manche Menschen gefühlt immer die richtigen Entscheidungen treffen und scheinbar mühelos die schlüssigen Erkenntnisse ziehen, wenn es um neue Produkte geht? Sie wirken, als hätten sie einen sechsten Sinn für Markttrends und Kundenbedürfnisse. Diese Menschen, auf die Führungskräfte bei strategischen Entscheidungen vertrauen, scheinen eine Art sechsten Sinn zu haben.
Was machen diese Menschen anders?
Marty Cagan und Christian Idiodi haben über diese Fähigkeiten in ihrem Podcast gesprochen. Sie nennen das Konzept „Product Sense“. Was es ist, wie ich darüber denke und wie du es selbst entwickeln kannst – das will ich hier besprechen.
Was ist Product Sense?
Zunächst mal: „Product Sense“ klingt für viele wie ein angeborenes Talent. Ein bisschen so wie ein außergewöhnlicher Geruchssinn. Man hat ihn oder eben nicht. Nur: Product Sense ist kein mysteriöses Genie-Gen. Es ist eine Fähigkeit, die auch du entwickeln kannst und – ja, als Produktmensch – sogar trainieren musst!
Marty spricht von vier Kernelementen: Demut, Neugierde, Handlungsfähigkeit (engl. Agency) und Empathie. Eigentlich alles, was wir als Kleinkinder eh schon auf die Welt mitbringen.
1) Demut
Demut spielt eine zentrale Rolle beim Entwickeln von Product Sense. Es geht darum, anzuerkennen, dass du nicht alles weißt, und die Bereitschaft zu haben, ständig von anderen zu lernen. Marty hat es treffend formuliert: Demut ist der Grundpfeiler für erfolgreiches Lernen. Ich habe selber oft erlebt, dass diejenigen, die glauben, schon alles zu wissen, am wenigsten bereit sind, neue Informationen aufzunehmen. Nur durch Demut ist es möglich, die eigene Perspektive zu erweitern und damit Innovation vorantreiben.
Fange also an Demut (weiter) zu entwickeln, indem du jetzt kurz innehältst und dir folgendes bewusst machst:
Du weißt nicht alles!
Öffne dich also für Feedback und sei bereit, von anderen zu lernen.
2) Neugierde
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Product Sense ist die Neugierde. Menschen, die eine starke Neugierde entwickeln, sind immer auf der Jagd nach neuen Informationen und Erkenntnissen. Diese unersättliche Wissbegierde treibt sie an, ständig dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln. Neugierde ist damit ein essenzielles Merkmal, um in der heutigen, schnelllebigen Welt als Produktmensch erfolgreich zu sein. Es ist die Neugierde, die uns befähigt, immer wieder neue potenziell wertvolle Kundenprobleme und Marktchancen zu entdecken, um dafür in Folge innovative Lösungen finden zu können.
Erweitere deine Neugierde, indem du neue Themen erkundest, Fragen stellst, offen für Unbekanntes bleibst und regelmäßig aus deiner Komfortzone heraustrittst.
3) Handlungsfähigkeit & Handlungsmacht (engl: Agency)
Es reicht nicht aus, nur zu wissen und zu verstehen. Es braucht das Handeln, und zwar das Können und das Wollen. Die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und diese in die Tat umzusetzen, ist entscheidend. Marty verwendet dafür den englischen Begriff Agency. Der Begriff wurde auch in die deutsche Wissenschaftssprache übernommen und bezeichnet die Handlungsfähigkeit und Handlungsmacht Menschen zur Durchsetzung ihrer Interessen.
Du kennst es sicher selber: Viele Menschen haben gute Ideen, aber nur wenige setzen sie auch tatsächlich um. Vielleicht gehörst du ja selber dazu? Hier kommt Agency ins Spiel – der Wille und die Fähigkeit, das Gelernte in die Praxis umzusetzen.
Entwickle deine eigene Agency, indem du wirklich Verantwortung übernimmst und proaktiv Entscheidungen triffst oder zumindest vorschlägst. Hier trennt sich meiner Erfahrung als Führungskraft nach die Spreu vom Weizen. Denn beides bedeutet für die meisten, ihre Komfortzone zu verlassen. Ich verstehe, es fühlt sich unangenehm an. Ist aber der Schlüssel. Denn Handeln innerhalb der Komfortzone bringt uns Produktmenschen nicht wirklich weiter.
4) Empathie
Ein echtes Verständnis für die Bedürfnisse und Probleme der Kunden ist unerlässlich. Auch genannt: Empathie. Empathie ermöglicht es, sich in die Lage der Kunden zu versetzen, deren Herausforderungen zu verstehen und auch mal das eigentliche Problem zwischen den Zeilen zu erkennen. Es ist diese Fähigkeit, die Barrieren zwischen dem Produktteam und den Kunden abzubauen und eine echte Verbindung herzustellen.
Beeindruckend dafür fand ich im Podcast die Geschichte eines Produktmanagers, der 90 Tage damit verbrachte, einen Arbeitssuchenden zu begleiten. Diese direkte Interaktion mit dem Kunden half ihm, echte Einblicke zu gewinnen und bessere Produkt-Entscheidungen zu treffen. Statt sich auf theoretische Annahmen oder Daten zu verlassen, basierte er seine Entscheidungen auf realen Erfahrungen und Bedürfnissen.
Entwickle deine Empathie weiter, indem du aktiv zuhörst, dich in die Perspektive anderer versetzt, ihre Gefühle anerkennst und bewusst Mitgefühl zeigst. Vor allem die Gefühlswelt wieder zu erschließen ist etwas, woran zumindest ich aktiv arbeiten musste. Meine Sozialisierung, auch u. a. in Form der klassischen BWL-Lehre, hat dafür leider keinen Raum geboten. Ich behaupte mal, ich bin damit nicht der einzige.
Habe ich nun Product Sense?
Gute Frage! Ich denke, die Wahrheit ist: Die Antwort ist nie binär. Product Sense entwickelt sich ständig weiter und ist ein kontinuierlicher Lernprozess, der nie abgeschlossen ist – so auch bei mir.
Ich denke: Wenn ich jede Woche etwas lerne, dann ist es ein Zeichen dafür ist, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Tiefes Verständnis über den Markt, die Kunden und Technologietrends zu entwickeln und dieses Wissen in gute Entscheidungen umzusetzen, ist entscheidend.
Direkter Kundenkontakt spielt dabei eine zentrale Rolle, denn nur so können die wirklichen Bedürfnisse und Probleme der Kunden verstanden werden. Das ist meiner eigenen Erfahrung nach auch der schwierigste Teil des Jobs:
Get out of the building!
Und doch ist es möglich und übrigens notwendig! Die eigene Komfortzone verlassen und den Kundenkontakt zur Gewohnheit für sich und für das Team etablieren, ist der Schlüssel. Ich spreche hier vom Konzept der Continuous Discovery Habits von Teresa Torres, welches hier jetzt zu weit führen würde (ein anderes Mal).
Fehler sind dabei wertvolle Lektionen, die zu besseren Entscheidungen in der Zukunft führen. Innovation entsteht oft durch das Hinterfragen von Dogmen und Überprüfen von Annahmen. Tiefes Domänenwissen kann dabei sowohl ein Vorteil als auch ein Hindernis sein. Der trockene Humor an dieser Stelle ist: Manchmal denken Führungskräfte, dass sie mit ihrer jahrelangen Erfahrung automatisch Experten sind. Doch wie Marty so schön sagte:
„Wenn du 30 Jahre lang im selben Job bist, hast du vielleicht 30 Jahre Erfahrung. Oder du hast ein Jahr Erfahrung, das du 30 Mal wiederholt hast.“
Und, Achtung: davor sind wir erfahrene Produktmenschen ebenfalls nicht gefeit! Wir müssen uns stets dessen bewusst werden, dass Innovation durch frische Perspektiven und kontinuierliches Lernen entsteht.
Fazit
Das Konzept von Product Sense ist vielfältig und komplex und – zugegeben – nicht einfach zu erklären. Es geht nicht nur um Wissen und Erfahrung, sondern auch um die Fähigkeit, kontinuierlich zu lernen und sich anzupassen. Wenn du also das nächste Mal jemanden triffst, der „den Dreh raus hat“, denk daran: Es ist kein mysteriöses Genie-Gen. Es ist harte Arbeit, Demut, Neugier, Agency und Empathie. Und das Beste daran: Jeder kann es lernen. Du auch!
Also, bleib dran & mach einfach!
Alexej
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